Ein Mann sitzt mit seinem 17-jährigen Sohn im Zug. Mit großen Augen
schaut der junge Mann aus dem Fenster und fragt: »Papa, ist das eine
Kuh?« Der Vater lächelt und antwortet: »Ja, mein Sohn.« Aufgeregt
spricht der Junge weiter: »Papa, diese Blumen sind Sonnenblumen,
oder?« Die Antwort lautet wieder: »Ja, mein Sohn.« Viele weitere Fragen
folgen: »Papa, ist das ein Lastwagen? ... eine Tanne? ... ein Hubschrauber?
... ein hoher Berg ...?« Stets folgt dieselbe Antwort: »Ja,
mein Sohn.«
Zwischendurch zeigt der Vater in eine Richtung und sagt: »Schau, mein
Sohn, der Vogel ist ein Bussard, dieser Baum ist eine Eiche und dort
ist ein Rapsfeld ...«
Ein Fahrgast, der den beiden gegenübersitzt, spricht den Vater nach
einer Weile an: »Bei allem Respekt, das Verhalten Ihres Sohnes ist
doch sehr merkwürdig.« Gespreizt weist er ihn darauf hin, dass es
heutzutage doch sehr gute Kliniken für Fälle »wie diesen« gäbe und die
Medizin in alle Richtungen große Fortschritte mache.
Der Vater unterbricht ihn: »Wie recht Sie doch haben!«, ruft er und
fährt freundlich fort: »Von solch einer Fachklinik kommen wir gerade.
Mein Sohn hat vor zwölf Jahren sein Augenlicht verloren und kann seit
wenigen Tagen wieder sehen.«
Sichtlich beschämt senkt der Mann den Blick. Nach einer Weile wendet
er sich dem Jungen zu: »Junger Mann, ich muss mich bei Ihnen
entschuldigen.« Und nach einer Pause sagt er noch: »Und ich möchte
mich bei Ihnen bedanken. Sie haben mir eben aufgezeigt, dass ich
vieles Wertvolle im Leben gar nicht mehr wahrnehme, weil ich es für
selbstverständlich gehalten habe.«
© Gisela Rieger; aus dem Buch: „111 Herzensweisheiten“ ISBN: 978-3-9819881-0-9
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Ich weiß es noch ganz genau: Es war ein strahlender Novembertag im Jahre 1999. Mein Mann und ich waren gerade in unserer Berghütte angekommen. Zusammen leiteten wir eine florierende Anwaltskanzlei, nur in unserer Beziehung ...
Immer, wenn ich mitten im Alltag
innehalte und gewahr werde,
wie viel mir geschenkt ist, werden
die zahllosen Selbstverständlichkeiten
zu einer Quelle des Glücks.
Zitat: Gustave Flaubert, französischer Schriftsteller, 1821-1880